Aktion Schnüffelgärten

Brustgeschirr

 

Brustgeschirr statt Halsband
© Silvia Weber, Best Friends

  

Bereits seit mehreren Jahren arbeiten sowohl einige meiner Kollegen/innen im gesamten Bundesgebiet, als auch ich, im Hundetraining fast ausschliesslich mit dem Brustgeschirr und nicht mehr, wie in der traditionellen Hundeerziehung üblich, mit dem Halsband. Leider hört man dazu immer noch vorgefasste Meinungen wie z.B.: "Mit Brustgeschirr zieht der Hund doch erst richtig an der Leine" oder auch: "Mit einem Brustgeschirr kann ich einem Hund doch nichts beibringen" In manchen Hundeschulen ist das Tragen eines Brustgeschirrs gar nicht erst erlaubt. Diese Auffassungen beruhen immer noch auf der irrigen Annahme man könne einen Hund nur mit Hilfe des Leinenrucks erziehen. Die moderne Hundeerziehung kommt allerdings schon lange und auch sehr gut ohne das veraltete Hilfsmittel Leinenruck aus.

Es gibt zahlreiche Gründe auf die Benutzung von Halsbändern, insbesondere von schmalen Halsbändern, Kettenhalsbändern, oder sogar Stachelhalsbändern zu verzichten.

1. Ein gut sitzendes Brustgeschirr schont die Halswirbelsäule Ihres Hundes. Sie sollten sich verdeutlichen, dass die Wirbelsäule eines Hundes genauso aufgebaut ist wie die menschliche Wirbelsäule. Wird im Training mit z.B. einem Kettenhalsband und mit Leinenruck gearbeitet kann es passieren, dass der vom Halsband ausgehende Druck genau zwischen 2 Wirbeln abgefangen wird, was je nach Stärke der Einwirkung bis hin zu Bandscheibenverschiebungen führen kann. Viele HWS-Erkrankungen bei Hunden finden hier ihren Ursprung.

Stellen Sie sich bitte vor Sie trügen ein Halsband und jemand würde von hinten kräftig daran rucken ! Keine angenehme Vorstellung, oder?

2. Kehlkopf und Halsmuskulatur bleiben durch das Tragen eines Brustgeschirrs ebenfalls unbelastet. Das Tragen eines Halsbandes dagegen belastet Beides sehr stark. Durch den Zug des Halsbandes werden sowohl der Kehlkopf, als auch die oberen Atemwege beeinträchtigt, Kehlkopfquetschungen sind leider gar nicht so selten. Die einzige Möglichkeit für den Hund Kehlkopf und Atemwege freizuhalten besteht darin, die Halsmuskulatur stark anzuspannen und so das Halsband durch die Muskulatur von diesen Organen fernzuhalten. Klinische Studien haben ergeben, dass die dadurch entstehenden Verspannungen in der Halswirbelsäule zu der gleichen Symptomatik wie beim Menschen führen: Kopfschmerz, Schwindelgefühl, Schmerzen in der Wirbelsäule oder ähnliches. Im Gegensatz zu unskann der Hund sich jedoch nicht mitteilen, er kann uns nicht sagen: Heute ist mir schwindelig und ich habe Kopfweh. Dieses beständige Unwohlsein und die andauernden Schmerzen sind oft für aggressives Verhalten verantwortlich.

3. Der Hals als soziales Organ des Hundes sollte vor unnötigen Einwirkungen geschützt werden. Der Hals spielt in der taktilen Kommunikation der Hunde eine wesentliche Rolle: Berührungen an der Oberseite des Halses drücken in der Hundesprache Dominanz aus. Berührungen an der Unterseite des Halses dagegen Subdominanz/Unterwerfung. Die Seitenpartien des Halses sind nur ganz guten Freunden vorbehalten (Pflegeverhalten). Der Hals ist auch bei uns Menschen eine sehr empfindliche Körperpartie und Berührungen am Hals sind etwas sehr intimes. Denken Sie nur an den Ausspruch: Bleib mir bloß vom Hals." Trägt der Hund ein Halsband stumpft die Empfindsamkeit für diese Signale ab, da der Hund praktisch ständig irgendwo am Hals Impulse erhält. Vielleicht erklärt dies auch die oftmals entsetzte Reaktion eines Welpen, der zum ersten mal ein Halsband umgelegt bekommt.

 

 

4. Diesen, recht unangenehmen Auswirkungen durch das Tragen eines Halsbandes, versucht der Hund sich oftmals zu entziehen. Wodurch versucht er das? Durch Flucht nach vorn und so entsteht das Ziehen an der Leine. Viele Menschen versuchen nun dem Hund durch Leinenruck dieses Ziehen abzugewöhnen. Der unangenehme Leinenruck wird vom Hund, da er einen Impuls an der Halsunterseite bekommt, als plötzlicher Angriff angesehen und löst so eine erneute Fluchtreaktion aus. Häufig gibt es aus diesem Kreislauf kein Entkommen mehr. Durch das Tragen eines Brustgeschirrs wird dieser unangenehme Druck vom Hals des Hundes genommen. Bei ca. 20% der Fälle gibt sich das Ziehen durch das Tragen eines Brustgeschirrs von ganz allein, mit dem entsprechenden Programm zur Leinenführigkeit ist dem Hund das Ziehen an der Leine auch ohne Leinenruck abzugewöhnen.

5. Das Tragen eines Brustgeschirrs birgt noch weitere Vorteile. Durch den auf dem Rücken liegenden Steg können Sie den Hund viel besser und schneller festhalten. Dieser Griff ist, besonders bei langhaarigen Hunden viel besser zu erreichen als ein Halsband das irgendwo im dichten Fell liegt. Für den Hund ist das Halten am Rückensteg ebenfalls viel angenehmer. Verletzungen an der Hand des Hundehalters durch einen sich im Halsband windenden Hund werden vermieden.

Beim Kauf und Anpassen eines Brustgeschirrs sollten folgende Dinge beachtet werden:

A. Es sollte aus weichem, leichten Material sein, das sich dem Körper anschmiegt. Das Material und auch die Vernähungen dürfen nicht einschneiden. Nylongeschirre haben sich besser bewährt als Ledergeschirre.

B. Das Material sollte waschbar sein

C. Die Verschlüsse sollten haltbar, strapazierfähig und der Körperform angepasst sein (abgerundet)

D. Der Rückensteg sollte fest vernäht sein, damit er beim Laufen nicht hin und her rutscht.

E. Das Geschirr sollte von 2 Seiten zu öffnen sein, damit der Hund nicht mit der Pfote "einsteigen" muß. Dies kann bei Verletzungen, oder alten Hunden zum Problem werden.

F. Der Rücken- und der Bauchsteg sollten lang genug gearbeitet sein. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die Verstellbarkeit des Bauchsteges. Ist er zu kurz, kommen die Seitenteile zu nah hinter den Ellbogen hoch und können dort scheuern. Optimal sitzt das Geschirr, wenn zwischen Ellbogen und Seitenteilen etwa eine Handbreit Platz ist.

G. Die Breite der Gurte sollte dem Gewicht des Hundes angepasst sein.

H. Manche Hunde, die das Tragen eines Brustgeschirrs noch nicht gewohnt sind, knabbern gern an den Stoffgurten herum. Deshalb den Hund besonders in der Gewöhungsphase nicht mit dem angelegten Geschirr allein lassen und es immer nur unmittelbar vor dem Spaziergang anlegen und sofort nach Beendigung des Spazierganges wieder abnehmen.

Als Halterin von mehreren großen Hunden (darunter auch Rottweiler) habe ich durchweg gute Erfahrungen mit Brustgeschirren gemacht und auch in meiner täglichen Praxis als Hundetrainerin hat es sich bewährt. Ich hoffe durch meine Ausführungen einige Hundehalter zum Nachdenken angeregt zu haben und freue mich über jeden Einzelnen, der vom Halsband auf das Brustgeschirr umsteigt.



  

Anleitung um das Geschirr anzulegen

Sehr häufig begründen sich Probleme mit dem Brustgeschirr schon im Anlegen des Geschirrs. Oft neigen wir Menschen dazu uns dabei frontal vor den Hund zu stellen und ihm Das Geschirr von oben über den Kopf zu ziehen. Oftmals toleriert er am Anfang diese “Unhöflichkeit”, zeigt jedoch über Beschwichtigungsgesten schon an das ihm dieser Vorgang sehr unangenehm ist. Aus dieser Position heraus wirken wir (und auch das Geschirr) für den Hund sehr bedrohlich und im weiteren Verlauf versucht er natürlich die Situation zu vermeiden um so der vermeintlichen Bedrohung zu entkommen.


 

So wirken wir aus der Perspektive des Hundes

 

 

So geht's besser:


Stehen Sie seitlich zum Hund, Geschirr in der linken Hand, ein Leckerchen in der rechten Hand. Das Leckerchen halten Sie so, dass der Hund seinen Kopf von allein durchs Geschirr stecken muss um daran zu kommen



 

 

So rutscht das Geschirr fast von selbst über den Kopf und durch das Leckerchen verknüpft der Hund diesen Vorgang positiv.

 




Jetzt können Sie die seitlichen Verschlüsse schließen und das Geschirr ist stressfrei angezogen.


 

Silvia Weber, Hundeschule Best Friends, ist Mitglied bei PDTE und Gewaltfreies Hundetraining.